In diesem Fall war es zuerst der obere Holzkofferdeckel aus einer Aufräumaktion einer Physik-Fachschaft eines ehrwürdigen Kölner Gymnasiums, der den Weg zu mir fand. In diesen Holzkoffern wurden bis zu den 50er Jahren die einzelnen Gegenstände eines Versuchs-Aufbaus für Physik-Experimente vom Hersteller angeliefert und im Fachbereich gelagert. Der Aufbau des Kofferdeckels ohne den gelieferten Inhalt ließ bereits einen großen Freiraum für kreative Ideen und Phantasien entstehen. Die bräunlichen
Farbnuancen des gealterten Holzes gefielen mir so gut, dass ich davon Abstand nahm, mit einer Farbgestaltung zu beginnen. Die einzelnen ziemlich einfach aufgebauten Holz-Arretierungen waren in meinen Augen so perfekt in ihrem Erhaltungszustand zu mir gelangt, dass ich daran nur minimal etwas verändern wollte. Das ganze Innere des Deckels war das absolute Gegenstück zur modernen Verpackungskultur in ihrem Blister-Styropor-Rausch/Wahn und ihren tief-und hochgezogenen Polystyrol-Verpackungen. Jetzt verging aber erst einmal sehr viel Zeit, ungefähr 15 bis 20 Jahre, und der Deckel stand in der Ecke eines Kölner Lagerkellers. In diesem Zeitraum geschah es, dass im
Fachbereich Musik desselben Kölner Gymnasiums die alte Musiksaalorgel den Vorgaben der Moderne geopfert wurde und einem Yamaha-Studio Platz machen musste. Die Reste der Orgel füllten mehrere Container. Darunter befand sich das kräftige elektrische Gebläse, das ich retten konnte. Es fand Jahre später in meinem Objekt Black-Blowing-Box seine zweite Lebensaufgabe, das 1985 auf einer internationalen Ausstellung in der Sint-Baafs-Abdij in Gent im Hauptschiff gezeigt wurde. Auch die Orgelpfeifen fanden schnell ihre Liebhaberinnen und Liebhaber. Einige konnte ich für die Kunst retten und lagerte sie im Kellerbereich im oben vorgestellten Holzdeckel. Wieder zogen Jahre ins Land, der Deckel war inzwischen samt Inhalt in einen anderen Keller einer anderen Stadt umgezogen, bis mir der Objektkasten eines Tages in seiner aussagestarken Schlichtheit auffiel und es mich reizte, dieses Objekt aus Zeit und Zufall endlich abzuschließen.
Zum metallischen Glanz der Orgelpfeifen wollte ich einen farblichen Kontrast setzen und entschied mich, es mit dem tiefen Schwarz einer Schellackplatte von His Master´s Voice mit einem Beethoven Konzert auszuprobieren. Bei Ebay bestellte ein Angebot mit zwei Schallplatten. Leider erreichte mich die Sendung ziemlich schlecht verpackt einige Tage später mit zerbrochenem Inhalt.
Der zerstörende Zufall wurde so wiederum zum Gestalter bei einer neuen Ausrichtung einer in die Jahre gekommenen Komposition. Es ging also unerwartet weiter mit Stücken von zwei zerbrochenen Schellackschallplatten.
Zu diesem Zeitpunkt begann ich, mir über die Gesamtfarbigkeit dieses Objekts Gedanken zu machen. Es gab also das warme Braun des Kastens, die metallisch glänzenden Orgelpfeifen mit ihren blau-samtenen Bauchbinden, das in den Rillen Licht reflektierende Schwarz der Scherben der Schellackplatte und das Rot ihres zentralen Aufklebers mit dem His Master´s Voice-Emblem*. So kamen Rot-, Blau-, Braun-, Schwarz- und Metallglanz-Farbwerte zueinander. Was fehlte, waren zum farblichen Dreiklang ein warmes Gelb und, um die Dreidimensionalität weiter zu steigern, eine hellblaue Farbigkeit, die eine Himmelsweite in das Objekt bringen könnte. Diese Farbwerte sollten mit weiteren inhaltlich stimmigen Objets Trouvés in das Objekt montiert werden, eine malerische Gestaltung wollte ich weiterhin vermeiden.
* Eine Collage/Assemblage von mir mit einer Variation/Interpretation zum His Master´s Voice-Emblem begleitet mich seit vielen Jahren in meinem Arbeitsbereich.
Ein Versuch mit der kompositionellen Einbeziehung einer Chuck-Berry-CD schlug fehl. Mit dem geplanten Brückenschlag zur Darstellung neuerer Medien in diesem Objekt in Form dieser rot bedruckten CD oder der verkaufswirksam gestalteten Hülle mit einem Gitarren behängten im typischen Entengang über die Bühne rockenden Chuck Berry, der eine Beethoven-Büste zum Kippen bringt, konnte ich mich nicht anfreunden.
So sieht es also augenblicklich im Oktober 2019 mit dieser Montage aus. Bis zur Ausstellung im Mai 2020 wird es natürlich weitere Veränderungen/Entwicklungen geben. Zwei blaue Pigmente warten auf ihren minimalistischen Einsatz. Das eine stammt noch von Bruno Wolkenaer, dem ehemalige Traditionsgeschäft für Malerei in der Kölner Ehrenstraße, das andere aus einem kleinen Laden in der Altstadt von Alcanar im Süden Kataloniens. Ob eine Fixierung der Gegenstände im Sinne des Objekts ist, bleibt fraglich. Am liebsten würde ich alle Teile so in einer kompositionellen Form präsentieren, wie sie der Zufall zwischen den 70erJahren und heute zusammengeführt hat.